DER GAUKLER -

TÄUSCHUNG UND WAHRHEIT

 

Ein modernes Märchen

Begebenheiten und Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

wären rein zufällig und sind keineswegs beabsichtigt!

 

KAPITEL I - DAS KENNEN LERNEN

In einer kleinen Provinz am Rande des Rechtsstaatlandes lebten eine NAIVE und ihr krankes Kind. Seit vielen Monden darbten sie einsam und abgeschieden in einer kleinen Hütte die so winzig war, dass sie sich sogar das Bettchen teilen mussten.
Die Beiden träumten von einer neuen, besseren Welt, in der sie nicht mehr jedes Talerchen vor dem Entrichten umdrehen brauchten, sondern sich immer bis zum nächsten Zahltag satt essen konnten. Trotz aller tragischen Heimsuchungen schulterte die
NAIVE ihr drückendes Joch ohne zu wehklagen und stand mit beiden Beinen fest in ihrem Dasein. Doch sobald in den endlosen Abendstunden das Kind im Bettchen lag, sehnte sie sich nach einem liebenden Gefährten an ihrer Seite, welcher nicht abgeneigt ihr schweres Schicksal gemeinsam zu tragen.

So trug es sich zu, dass die NAIVE eines Abends einsamen Herzens in den unendlichen Regionen der Chaträume weilte und dort einem FREMDEN begegnete, der ihr weiteres Leben vollends zu verwirren gedachte. Dieser gab vor ein alleine lebender Herr zu sein, der weit über dem großen Teich lebte und sich nichts sehnlicher wünschte, als ein treu  fürsorgendes und liebendes Weib an seiner Seite.
Aus Besorgnis, sie könne das gerade erst entflammende Gefallen an ihm verlieren, schwindelte er ihr zunächst vor weniger an Jahren zu haben, doch im Verlaufe der Unterhaltung gestand er ihr die wahre Anzahl seiner bereits erlebten Lenze.
Die
NAIVE war verwundert ob des Drangs zu solcher Unwahrheit, da sie weder daran dachte ihre Heimatprovinz zu verlassen noch hinter den großen Teich umzusiedeln. Je besser sich die Beiden dann im Verlauf ihrer Unterhaltung kennen lernten, umso mehr waren sie jedoch angetan von der gegenseitigen Klugheit, sodass sie die Reichweite ihrer Gesprächsthemen als schier unerschöpflich empfanden. Schließlich entdeckten sie, dass beide der Sprachen weit entfernter Provinzen kundig waren, und es gefiel Ihnen zunehmend sich neckend im Wechsel herauszufordern.

Nach einer Weile bat der FREMDE um Übersendung eines Bildnisses und ob der Lieblichkeit ihres Antlitzes umgarnte er sie mit den süßesten Worten, wohl wissend wie sehr er sie damit in seinen Bann zu ziehen vermochte. Auf einmal gestand er, nicht über dem großen Teich, sondern in einer Nachbarprovinz ganz in ihrer Nähe zu weilen. Er fuhr fort es wäre sein größtes Begehr, sie baldig von Angesicht zu sehen und, ihre Gewähr vorausgesetzt, sie mit seinen starken Armen liebevoll zu umschließen.
Durch dieses Geständnis offenbarte er erneut eine vorsätzliche Täuschung und diese unschöne Manier mahnte ihre herauf kriechende Furcht zum Argwohn. Da sie jedoch ebenfalls nach seinen ersten zärtlich geäußerten Worten ein ungewöhnliches Verlangen nach diesem
FREMDEn verspürte, der ferner versprach ihr großes Alleinsein zu beenden, verbannte sie die aufkommende Besorgnis und stimmte nach kurzem Bedacht mit wild pochendem Herzen zu.

Dem Tag der ersten Begegnung fieberten beide mit brodelndem Blut entgegen.
Man war übereingekommen, sich in einer nahen Stadt zu treffen, wohin beide etwa des gleichen Weges Strecke zurückzulegen hatten. Doch gleich zu Beginn des ersten Aufeinandertreffens gab es einige Verwirrungen wegen des verabredeten Treffpunkts, da der
FREMDE sie an einer anderen als der vereinbarten Stelle erwartete.
Er schien unkundig in dieser Gegend und so verließ die
NAIVE rasch ihr Gefährt, um zu Fuß durch die düsteren Gassen der Stadt zu dem ersehnten FREMDEn zu eilen. Beim Anblick des vermeintlich feurigen Freiers erschrak die NAIVE, da dieser weit mehr an Lenzen zu zählen schien, als er ihr ohnehin bereits gebeichtet hatte. Auch ähnelte er in keiner Weise dem zuvor erhaltenen Bildnis, sodass sie bekümmert vermutete, er habe aus Feigheit und entsprechend seines bisherigen Doppelspiels ein Falsches gesandt. Enttäuscht und traurig gedachte sie dieses erste Aufeinandertreffen alsbald zu beenden, um rasch in ihr schützendes Heim zurückzukehren.

Nach ein paar höflich gewechselten Worten betraten sie eine nahe gelegene Taverne und bestellten einen heißen Trank. Nur beschwerlich entfaltete sich eine Unterredung, welche weit entfernt der heiteren, unbefangenen Art und der Magie der ersten Begegnung blieb. Nach geraumer Zeit des schmerzlichen Stillschweigens entlohnte der FREMDE die Magd für das heiße Gebräu, half der NAIVEN in ihren Umhang, warf selbst den eigenen Mantel über und zusammen verließen sie die Taverne. Damit sie nicht unbeschützt den gefährlichen Rückweg inmitten der Nacht zu Fuß und alleine gehen musste, erbot er sich sie zu der Stätte ihres zurückgelassenen Gefährts zu bringen. Trotz allen Misserfolgs dieses Abends empfand sie Dank für dieses fürsorgliche Anerbieten. Wenig später saßen sie wiederum stumm nebeneinander, bis er schließlich ein verblüffendes Ansinnen vortrug. Scheu erbat der FREMDE die Gewähr eines Kusses und die NAIVE erschrak ob solchen Begehrens nach diesem ernüchternden, ersten Aufeinandertreffen. Er musste doch ebenfalls festgestellt haben, dass ihr Beisammensein sich unfähig zeigte auch nur die kleinste Gemeinsamkeit hervorzubringen. Diesem greisen und langweiligen Zeitgenossen konnte sie niemals zärtliche Empfindungen - ja nicht einmal das Geschenk der Freundschaft entgegenbringen, woraus zog er seine Beherztheit, die Intimität eines Kusses zu erbitten? Tausend Gedanken sorgfältig gewählter Gründe für eine Versagung wirbelten durch ihr Haupt und nach gefühlter Endlosigkeit gewährte sie ihm schließlich doch die Gunst des Kusses, da sich nach dieser gescheiterten Zusammenkunft ihrer beider Wege ohnehin auf Nimmerwiedersehen scheiden würden.

Die Augen des FREMDEn begannen ob dieser Einwilligung freudvoll zu leuchten und dieser Kuss, zunächst nur kaum fühlbar gehaucht, dann jedoch voll flammender Leidenschaft, zog die NAIVE vollends in seinen Bann, dass er ihr plötzlich weder greisenhaft noch nichts sagend erschien, sondern im Gegenteil erregend und begehrenswert, ohne jede Besinnung an seine Bejahrtheit oder das zerfallende Äußere. Die NAIVE war gefangen in seinem heißblütigen Kuss und auch der FREMDE erlag ihrem Liebreiz und ihrer betörenden Sinnlichkeit. Er hielt sich an ihr fest wie ein Ertrinkender und sie empfand in seiner Liebkosung eine ungeahnte Wärme und nie gefühlte Geborgenheit. Das leuchtende Blau seiner Augen war tief wie ein klarer See und die NAIVE wünschte die Zeit möge stehen bleiben, um in diese liebenden Augen hinabzutauchen. So hielten sie sich gegenseitig fest umschlungen, bis er schließlich die Umarmung löste, um wieder in seine eigene Welt zurückzureisen. Trunken an Emotionen saß sie neben ihm und während der Fahrt hielt er ihre Hand so fest, beinahe als ob er fürchtete, sie könne ihm sonst entschwinden. Er brachte sie zu ihrem Gefährt und bevor sie sich trennten, traf er eine für die NAIVE vollkommen unverständliche Entscheidung. Er erzählte ihr, dass dieses ihr einziges Treffen bliebe und kein weiteres folgen könne, da er in der fernen Provinz bereits eine Gefährtin habe. Diese sei zwar nicht sein Weib und er lebte mit ihr im dauernden Zwist, doch dürfe er diese Verbindung nicht trennen, um sich der NAIVEN zuzuwenden, da er diesem anderen Weibe bereits sein Versprechen für ein baldiges Ehegelöbnis gegeben habe. Er bedauerte, dass sie sich nicht früher kennen gelernt hatten, doch seine unfassbare Entscheidung stand bereits unveränderbar fest, bevor er zum heutigen Treffen aufgebrochen war.

Die NAIVE war betroffen. Mit Hinterlist ergaunerte sich der FREMDE auf schändliche Weise nicht nur einen Kuss, auch seine Hände hatten wissbegierig die empfindsamsten Regionen ihres Leibes erkundet und mit all seiner Leidenschaft in einen magischen Bann gezogen. Sie fühlte sich belogen, um ihre Gefühle betrogen und ausgenutzt für sein niederes Begehr. Nie hätte sie einer Begegnung zugestimmt, sofern er ihr zuvor von seinem gegebenen Versprechen erzählt, welches er bereits einem anderen Weibe in der Ferne gab. Sein erneuter Schwindel trübte das wiedererhellende Licht, in welchem Sie ihn während des Kusses wähnte, doch nun begab sie sich bekümmert und verletzt auf die Heimreise.

Sonne und Mond wechselten einige Male, bis der FREMDE überraschend Kontakt zu ihr aufnahm. Er könne ihr Antlitz nicht aus seinem Gedächtnis verbannen und begehre sie wieder zu sehen. Noch immer spüre er ihre zarten Lippen auf den seinen, auch der Duft ihres weich wallenden Haares liebkose noch immer sanft seine Nase. So schöpfte die NAIVE neue Hoffnung, da auch sie seine zärtlichen Hände noch immer auf ihrem Körper fühlen konnte und sich mit all ihren Sinnen nach diesem FREMDEN sehnte, obwohl sie nur seinen Namen kannte und weder wusste wo er wohnte, noch welchem Tagesgeschäft er nachging. Womöglich hatte er durch ihr erstes Aufeinandertreffen seine Meinung geändert und das gegebene Versprechen in beiderseitigem Zugeständnis mit dem Weibe gelöst. Mit dieser Zuversicht im Herzen schob sie alle ablehnenden Gedanken zur Seite und stimmte glückselig einem Wiedersehen zu. Eilends wurde ein neues Treffen vereinbart, wobei Jeden die Angst beschlich, der Andere könne wieder entsagen. Schließlich kam der heiß ersehnte Tag der erneuten Zusammenkunft und die NAIVE war mitten in ihrem Tagwerk beschäftigt, als der FREMDE nur wenige Stunden vor der vereinbarten Zeit eine Nachricht sandte. Plötzliche Skrupel ließen ihn das Treffen verwerfen, da er sich noch immer durch sein Versprechen dem anderen Weibe verbunden fühlte.

Die NAIVE war traurig und sagte zu ihm, dass keiner zu Gefühlen zu zwingen wäre, egal ob versprochen oder nicht. Aufrichtigkeit und Verlass seien die hohen Werte, denen man verpflichtet wäre, nicht gesprochene Worte aus der Vergangenheit, welche heute keine Geltung mehr hatten. Da stimmte er freudig dem erneuten Treffen zu und beide machten sich voller Erwartung auf den Weg, der neuen Liebe zu begegnen.

Diesem Beisammensein folgten in kurzen Abständen einige weitere und jedes war voll atemloser Leidenschaft und Magie. Er überhäufte sie mit Zärtlichkeit, umgarnte sie mit liebevollen Worten und die NAIVE war gefangen in einem ungeahnten Rausch, dass sie ihre Vorsicht vergaß und ihm vollends verfiel. Sie sog seine liebenden Worte auf, die sie nie zuvor aus dem Munde eines anderen Mannes vernommen hatte. Sie sei der einzige Diamant unter all den Kieselsteinen der Weiberwelt und jedes Beisammensein bezeichnete er als eine Perle, welche aufgereiht an einer Kette ein wertvolles Kleinod ergab. Ob solch süßer Worte öffnete Sie ihm ihre Welt und weihte ihn in ihre geheimsten Gelüste ein, jedoch er war für sie wie ein Phantom, da er außer seinem Namen nichts weiter von sich preisgab.

Einmal fragte sie ihn aus Argwohn, ob er denn bereits einen Termin für das Ehegelübde mit dem anderen Weibe vereinbart habe und seine Antwort ließ sie erschaudern. Er gestand, trotz all der heißen Liebesschwüre und wunderschönen Zweisamkeiten voller Zärtlichkeit, dass er nun bald in ein gemeinsames Heim mit dem anderen Weibe ziehen würde. Das gegebene Versprechen könne er nicht mehr zurücknehmen, auch wenn er nunmehr dem Zauber und Liebreiz der NAIVEN vollends erlegen sei. Sie habe immer einen besonderen Platz in seinem Herzen, den er nur für Sie bereithielte, aber die Ehe war der Anderen versprochen. Aus diesem Grund würde er auch mit dem künftigen Weib über den großen Teich in dessen Heimat reisen, weshalb man sich länger nicht sehen könne. Da ward die NAIVE traurig und sagte ihm, dass sie ihn nie wiedersehen wolle, denn er habe sie arglistig belogen und schändlich um ihre Liebe betrogen.

Wiederum wechselten viele Monde. Der GELIEBTE reiste ohne Abschied mit seinem künftigen Weib über den großen Teich und die NAIVE begab sich mit ihrem kranken Kind an einen entfernten Ort, in der Hoffnung auf Linderung für dessen Leiden. Während ihres Aufenthalts, nahm der GELIEBTE plötzlich inmitten der Nacht Kontakt zu ihr auf. Er sandte ihr eine Nachricht, dass er just von der gemeinsamen Reise mit seinem Weibe über den großen Teich zurückgekehrt sei und nun voll Verlangen an die NAIVE und ihre anziehende Wärme und Weiblichkeit denken musste. Daher erbat er ein Treffen, sie zu sehen und die Leidenschaft zu stillen. Schockiert las sie wieder und wieder seine Worte, die ihr nach allem Erlebten unverständlich waren.

Wie konnte er verreisen um einem anderen Weibe das Ehegelübde zu geben und nach der Rückkehr Begehr eines leidenschaftlichen Wiedersehens äußern? Ob solcher Ansinnen war sie verwirrt und erbat Bedenkzeit, bis sie ihre eigene Reise beendet und wieder in ihrem schützenden Heim weilte. Sein heiliges Ehe-Gelübde trat er mit Füßen in den Schmutz, denn es war offenbar ohne Liebe erfolgt und hatte dadurch den faden Beigeschmack eines schlechten Geschäfts erhalten.


Welchen Charakter nannte der
FREMDE sein Eigen? War es nicht verwerflich, sich neben sein Weib zu legen und bei dem Vollziehen der ehelichen Pflichten in Begierde bei einem anderen Weib zu verweilen?

Die NAIVE war hin und her gerissen. Konnte sie erhoffen, dass er seinen Fehler einsah und das Ehegelübde zurücknahm, um sich ihr zuzuwenden?
Sie würde ihm eine weitere Chance geben, seinen großen Missgriff wieder zu korrigieren - eine letzte Chance für ihre Liebe und traute Verbundenheit. So gewährte sie ihm ein Vorsprechen zum ersten Mal in ihrem eigenen, schützenden Heim und unruhig fieberte sie der neuerlichen Begegnung entgegen.

Am Morgen des Wiedersehens umgab sie sich mit besonderen Düften, um ihn mit ihren Reizen zu umgarnen, dass er sie endlich freite. Als sie ihm die Pforte öffnete erblickte sie zuerst ein riesiges Gebinde feuerroter Rosen, hinter welchem er sie mit seinen sehnsuchtsvollen, blauen Augen anblickte. Ob der Pracht und Größe dieses Blumenschmucks und der besonderen Auswahl des Gewächses deutete sie dies als Zeichen seiner Entscheidung für ein Leben mit ihr. Er nahm sie in seine Arme und bedeckte sie mit leidenschaftlichen Küssen, als wollte er sie nie wieder loslassen. Danach begaben sie sich zur Feuerstelle, wo die NAIVE begann einen heißen Trank zuzubereiten. Der GELIEBTE stand hinter ihr und immer, wenn sie nach einem neuerlichen Aufguss den heißen Kessel zurückstellte, drehte er sie zu sich und überschüttete sie mit seinen leidenschaftlichen Küssen. Dabei vergrub er sein Gesicht in ihren weichen Haaren und sog den warmen Duft so tief ein, als ob er sie vollends in sich aufnehmen wollte. Sein Wohlgeruch, seine Nähe und Wärme verbunden mit einer nie erfahrenen Leidenschaft katapultierten die NAIVE in den 7.Himmel der Glückseligkeit und sie wollte nie wieder zurück zur Erde. Wunderbare, gemeinsame Stunden voller Zärtlichkeit und Magie verbrachten die beiden Liebenden bis wiederum die Zeit des Abschieds nahte. Trunken vor Leidenschaft erbat er die Erlaubnis wiederzukommen und die NAIVE stimmte freudig in Erwartung zu, dass sich nun alles zum Guten wenden könne. Nachdem der GELIEBTE gegangen war, verschloss die NAIVE die Pforte und ließ sich jämmerlich weinend zu Boden gleiten.
Mit einmal fiel aller Ballast, jeder erduldete Schmerz und überstandene Trauer von ihr ab und sie ließ ihren Tränen freien Lauf, bis sie schließlich erschöpft aber glücklich ihr Nachtlager aufsuchte.

Sollte tatsächlich dieses kleine Licht am Horizont das Vorzeichen einer besseren Zeit werden? Nach allem Widerfahrenen des heutigen Tages wollte sie nur zu gerne daran glauben.

Der Anblick des wunderschönen Rosenstraußes und die Erinnerung an die zärtlichen Stunden zauberten ihr täglich ein Lächeln ins Antlitz und das verhärmte Äußere erblühte wieder zu voller Schönheit. Von Stund an wuchs jedoch auch die Sehnsucht nach dem geliebten Manne.

Ein neuer Termin war bereits vereinbart, zu welchem der GELIEBTE sie erneut in ihrem Heim aufsuchen wollte, und die NAIVE warf all ihre Vorsicht über den Haufen- voll Zuversicht und Verlass auf ein gemeinsames Glück. Wiederum stand der Freier mit glühenden Augen und einem riesigen Strauß blutroter Rosen vor ihrer Pforte und die NAIVE gewährte ihm voll freudiger Erwartung Einlass. Er bedauerte sehr, dass sie bereits den heißen Trank ohne ihn zubereitet hatte, denn in seiner Erinnerung schwelgte er noch immer im Zauber dieses Rituals während seines ersten Besuches. Beim Schließen seiner Augen war sie ihm dabei jedes Mal so nah, dass er meinte sie fühlen und riechen zu können und er sich dadurch kaum seinem Tagwerk zu widmen vermochte. Die NAIVE versprach, bei seinem nächsten Besuch dieses Ritual wieder gemeinsam zu zelebrieren, doch nun sehnte sie sich danach, ihn vollends spüren, in Leidenschaft ihre Körper zu verschmelzen, eins zu sein mit ihm und dadurch das Band der Liebe zu festigen. Sie umgarnte ihn, bis er sich hilflos der Leidenschaft hingab und mit ihr die körperliche Vereinigung vollzog. Jedoch der erwartete Zauber blieb aus. Weder Magie noch Leidenschaft entbrannte und die NAIVE war verwirrt ob des plötzlich auftretenden Frosts in seinen Augen und der erbarmungslosen Kälte seiner Worte, als er sie schließlich ernüchtert der vorsätzlichen Verlockung beschuldigte.
Mit dieser Anklage verließ er eilends ihr Heim und die
NAIVE schloss weinend die Tür hinter dem entschwindenden GELIEBTEn, dem sie alles feilgeboten, was ein liebendes Weib zu gewähren vermochte und der nun dieses wertvolle Geschenk mit seinen Füßen jäh in den Kehricht der Gasse trat.

Zum folgenden Tagesanbruch sandte er eine abschließende, schmachvolle Botschaft. Für alle Geschöpfe der Erde verhieße der Sonnenaufgang dieses Morgens einen wunderschönen Tag, nur nicht für ihn. Er fühle sich schäbig und schmutzig und nur sie alleine trüge daran die Schuld. Nie habe er mit ihr den Akt vollziehen dürfen, da er durch Gelöbnis mit einem anderen Weib verbunden sei und er gedachte weder in Vergangenheit noch Zukunft diesen heiligen Eid zu lösen. Da nahm die NAIVE den übermächtigen Blumenschmuck, der ihr nunmehr nicht als Pfand der Liebe sondern als Zeugnis von Täuschung und Lüge erschien, und warf ihn auf den großen Misthaufen vor der Tür, wohin er mit seiner neuerlichen Geltung auch gehörte.

 

...UND DIE MORAL VON DER GESCHICHT':

 

WER DICH EINMAL BELÜGT DEM GLAUBE NICHT,

AUCH WENN ER DICH SO SEHR BETÖRT,

SEIN EHRLICH WORT HAT KEINEN WERT!

 

© Liane Porger

 

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